Hafenbad
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Foto: Haegue Yang
Foto: Spiegel Archiv
Der abweisend graue Himmel und die triste Teilnahmslosigkeit des verlassenen Geländes machten es äußerst schwer, sich glühend heiße Sommertage mit lebhaftem Badebetrieb vorzustellen.

Trotzdem strömte das Wasser am 29. April 1996 unaufhaltsam in den dafür vorbereiteten Container. Mit jedem Zentimeter, den das Wasser stieg, mit jedem Knirschen der sich langsam ausbeulenden Metallwände wuchs die Sorge, ob das Material den errechneten Belastungen standhalten und die mit viel Mühe installierte Umwälzanlage ihre Arbeit aufnehmen würde.

Drei Millimeter rostiger Stahl trafen auf fast 150.000 Liter Wasser. Wer in diesem Kräftemessen die Oberhand behielt, war zu diesem Zeitpunkt noch völlig offen.

Genauso wie die Frage, was der bevorstehende Sommer alles bringen würde. Man verzichtete darauf, für den Besuch des "Hafenbads" Eintritt zu erheben. Denn zum einen bestand das Ziel des Projekts in der Schaffung eines öffentlichen Raums, zum anderen stellte sich die unausgesprochene Frage, mit welcher Währung man sich den Eintritt in das Reich der Phantasie überhaupt erkaufen konnte.





Was zunächst als reiner Sachzwang vorgegeben war, nämlich der Standort der Installation "Hafenbad" mitten im Industriegebiet Frankfurt-Ost, erwies sich während der gesamten Badesaison als ausgesprochener Glücksfall. Durch den Widerspruch zwischen einer von Industrieruinen geprägten Stadtlandschaft und der beabsichtigten Nutzung dieses Areals als sommerlichem Naherholungsgebiet, entstand eine kontrastreiche Atmosphäre, deren eigentümliche Ausstrahlung bereits im Zuge der Bauarbeiten spürbar geworden war, als Erbauer, Helfer und Freunde das Gelände noch als privaten Treffpunkt nutzten.



Verantwortlich dafür zeichnete die bizarre Umgebung, die ideale Rahmenbedingungen für die unterschiedlichsten Assoziationen bieten sollte. Eine Kulisse, die ihre ganz eigene Faszination auch beibehielt, als mit der Aufnahme des Badebetriebs die Intimität der Vorbereitungszeit verlorenging. Denn glücklicherweise erwies sich die Einzigartigkeit des umgebenden Geländes als stark genug, um selbst in Zeiten größten Besucherandrangs individuelles Erleben, den freien Lauf der Phantasie oder den Wunsch nach Abwechselung und Unterhaltung zuzulassen.

Von diesem Punkt aus führt der Weg direkt weiter zum nächsten Anliegen der Installation "Hafenbad": einem kritischen Blick auf den Urlaub in massentouristisch erschlossene Feriengebiete, in denen der Reisende, sofern man den modernen Touristen überhaupt noch als solchen bezeichnen darf, Entspannung in einer möglichst unberührten, idyllischen Umgebung sucht und der Eintönigkeit des Alltags entfliehen möchte.

Mit der Installation eines Freizeit- und Erlebnisparks inmitten einer industriell genutzten Landschaft wird dieser Wunsch ironisch auf die Spitze getrieben, karikiert und ad absurdum geführt. Welcher normale Mensch, so könnte man fragen, verbringt seinen, die "kostbarsten" Wochen des Jahres, freiwillig in einer von Fabriken und verkehrsreichen Straßen umgebenen Szenerie?



Im Grunde genommen natürlich niemand. Doch hinter dieser Selbstverständlichkeit verbirgt sich die selten hinterfragte, bösartige Doppelnatur des Tourismus. Je mehr eine Gesellschaft Landschaft und Natur als reine Ressource für wirtschaftliche und technologische Entwicklung betrachtet und sich dadurch von ihr entfremdet, umso größer wird die Sehnsucht, sich dieser Landschaft als romantisiertem Ideal wieder anzunähern. Dies aber nur, um Kraft für die Normalität des Alltagslebens zu tanken, in dessen Verlauf wiederum genau die Entfremdung von diesem Ideal betrieben wird. Durch den Kontrast, den die Installation "Hafenbad" herstellt, wird eines deutlich: Das Versprechen des Tourismus, zumindest zeitweise die Illusion einer Insel der Glückseligen zu schaffen, wird als Täuschung entlarvt. Eine Täuschung, die das "Hafenbad bewusst" umgeht und damit gleichzeitig sichtbar macht.



Eine weitere Zielsetzung des Projekts lag darin, individuelle Erinnerungen und Träume wiederzuerwecken. Gerade Schwimmbäder fallen einem schließlich als Ort der Kindheit ein. Als Ort, an dem man die Sommermonate verbrachte und zahllose Erinnerungen sammeln konnte, die sich oft tief in das persönliche Gedächtnis eingeprägt haben. Diese Erinnerungen und die damit verbundenen Sehnsüchte an einen bei vielen als unbeschwert empfundenen Lebensabschnitt wiederzuerwecken, bedeutete den beiden Erbauern denn auch sehr viel.








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