Hafenbad Frankfurt
Hafenbad Frankfurt


Sommer 1996 · Martin Feldbauer

Meistens kam ich gegen zehn Uhr morgens in die Daimlerstraße 34. Nach einer Tasse Kaffee in der Küche ging ich ins Freilager und schloß es auf. Wenn ich nicht von Personen, welche sich heimlich Zutritt zum Gelände verschafft hatten um dort zu nächtigen oder in den ersten Morgenstunden zu schwimmen überrascht wurde, genoß ich die Morgensonne am Pool. Die Holzplattform, auf der man sich hinlegen konnte, wurde fast immer so sauber hinterlassen wie sie die Gäste vorfanden wenn die vorausgegangene Nacht nicht zu wild verlaufen war; unten dagegen, auf der Bodenebene, wo sich unter anderem auch die Bar befand, sah es mitunter auch ziemlich kraß aus. Das lag aber weniger an den Badegästen als vielmehr an der losen Handhabung jener Bar, hinter die sich auch so mancher Gast stellen durfte, um nach kurzer Einweisung durch die Crew die Besucher mit Getränken zu versorgen. Vor allem war ich auch wegen der Wasserpflege immer bemüht sehr früh am Schwimmbad zu sein: Mit einem langen Käscher mussten Kleinteile wie Blüten und Blätter aus dem Pool gefischt werden aber auch andere Gegenstände, von ihren Besitzern nicht wieder hochgetaucht, wurden entfernt. "Meditativ" wäre das passende Attribut um diesen Vorgang in etwa zu charakterisieren. Eigentlich waren die beiden anderen Bademeister auch immer um diese Zeit da, so daß sich die noch anstehenden Aufgaben gut verteilen ließen. Der Boden des Beckens wurde gesaugt, die entsprechende Menge Chlor angerührt und im Wasser verteilt. Sobald diese erste Stunde am Tag der Bademeister vorbei und damit das Nötigste für den Pool getan war, folgte ein gemeinsames, ausgedehntes Frühstück im angrenzenden, extra angelegten Garten, zu dem sich auch so mancher "Dauergast" gesellte. Grundsätzlich kamen die ersten Leute schon Vormittags; oft war die Kinder aus dem benachbarten Riederwald gleich am Morgen da, um sich von Ihrer Radtour in den Hafen zu erholen und ins kühle Naß zu "bomben" (die Konstrukteure dachten noch während der Bauphase im Falle eines faden Sommers zum Badebetrieb über Lautsprecher Kindergeschrei einblenden zu müssen...). Wegen der vielen Möglichkeiten, die sich den Badegästen (und Bademeistern) unabhängig vom Sonnen und Schwimmen boten, vergingen die Mittags- und Nachmittagsstunden schnell: Die Fernsehsportler fanden sich vor dem Bildschirm ein und genossen entweder die Tour de France oder die Fußball-Europameisterschaft. Außerdem stand auch eine Tischtennisplatte auf dem Areal und wer zwei Schläger, einen Ball und den geeigneten Partner mithatte, konnte im Schatten des angrenzenden Hauses ein Match (und damit eine Flasche Sekt) gewinnen oder verlieren. Basketball wurde eigentlich eher zu den kühleren Stunden am Tag gespielt. Die Kletterwand blieb meines Wissens vielen verborgen, weil sie sich nicht in unmittelbarer Poolnähe befand. Trotzdem war sie als sportliches Feature ernst zu nehmen, und wer sich die Mühe machte, den Turm zu erklimmen, wurde mit einem Gipfelbier belohnt, welches sich in einem Waschbecken befand, an dem man auf der Kletterroute vorbeikam. Selbstverständlich machten sich die Gäste (Bademeister) zwischen diesen sportlichen Aktivitäten durch ein paar Züge im kalten, erfrischenden Wasser wieder fit. Wer sich wegen der Hitze nur äußerst minimal betätigen wollte, wurde an den Flipper geschickt bzw. von einer überaus freundlichen Barbelegschaft mit extrem guten, kühlenden Drinks und Gesprächsstoff versorgt. Abends wurde fast täglich gekocht. Zuerst mußte natürlich das "Personal" verköstigt werden, doch meisten blieb so viel übrig, daß auch von den Gästen niemand hungern mußte. Oft wurde einfach auf einer umfunktionierten Stahltonne gegrillt. Danach war Basketball angesagt - teilweise, wenn sich zwei gute Mannschaften gefunden hatten, spielten wir bis in die Nacht. Es soll auch Gäste gegeben haben, die ausschließlich zum Basketball kamen, vermutlich weil sie gemerkt hatten, daß sich unter der "Badcrew" einige Spitzentalente befanden. Sobald es dunkel wurde, veränderte sich dieser öffentliche Raum in einen Ort anderer Art: Der Pool war nachts grundsätzlich geflutet, die restliche Szenerie in das Neon des Hotelschildes getaucht. Wie Giganten türmten sich die silbernen Silos um das Geschehen und reflektierten das blau-grün schimmernde Wasser. Im Hintergrund tönte der Ghettoblaster, ab und zu waren auch Djs eingeladen, am Bad aufzulegen. Viel zu schön war es dann und auch oft richtig schwierig, die Leute nach Hause zu schicken oder Ihnen zu erklären, daß es gar kein Hotel gibt. Nicht selten war ich unter den letzten Leuten, die das Gelände früh morgens verließen, um nach einigen Stunden Schlaf wieder zurückzukommen und einen neuen coolen Hafenbad-Tag zu erleben.


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